DAS KRANKENHAUS IN MARANA

Marana ist eine winzige Ortschaft, auf einem Hügel gelegen, ungefähr 5 Kilometer von Fianarantsoa entfernt. Ein schmaler Weg führt durch einen Eukalyptuswald zu ihr. Eine kleine Siedlung, nichts ungewöhnliches, außer, dass dort ein großer Sohn der polnischen Nation ein Pionierwerk tat. Er baute dort ein erstes richtiges Krankenhaus für Leprakranke in Madagaskar mit großzügiger Unterstützung seiner polnischen Landsleute. Unter seinem Dach fanden „Schwarzküken“, wie er seine Schützlinge nannte, die notwendige Pflege und angemessene Lebensbedingungen.

Schon früher hatten die katholischen Missionare einen einfühlsamen Blick für die Leprakrankheit. In ihrem missionarischen Dienst betreuten sie nicht nur die Adeligen und die wohlhabenden Einwohner der Missionsländer, sondern sie sorgten vor allem für die Gefangenen, Ausgestoßenen und Kranken sowie für die an Lepra leidenden Menschen. Diese Krankheit erregte Furcht und Grauen, weil sie so erschreckend in ihren Konsequenzen war, dazu ansteckend und in jener Zeit unheilbar. Die unermüdlichen und unerschrockenen Missionare standen den Aussätzigen so weit wie möglich bei. 1886 beherbergten sie diese im Garten ihres Wohnsitzes in Fianarantsoa und beschützten mehrere Leprakranke. Später haben sie ihnen sogar eine Herberge in den Bergen errichtet, ungefähr 45 Minuten von dort entfernt.

Im Jahr 1892 hat der Gouverneur der letzten Königin von Madagaskar, Ranavalona III, ein 50 Hektar großes Grundstück zur Verfügung gestellt, um den Bau eines Krankenhauses zu ermöglichen. Das erste kleine Obdach für Leprakranke unter den Namen St. Lazarus wurde von Ordensbruder Dursap gebaut und wurde bis 1902, d.h. bis zur Ankunft von Pater Johannes Beyzym, auch von ihm geleitet. Etwa 60 Aussätzige lebten dort wie die anderen Dorfbewohner auch lebten. Sie heirateten wie die anderen und beschäftigten sich, als therapeutische Maßnahme, mit Vieh- und Landwirtschaft (Anbau von Maniok und Süßkartoffeln). Die einzige Behandlung, die dort gegen die Krankheit praktiziert wurde, war die Verabreichung von Chinin und bitterem Salz.

Nach der Ankunft von Pater Johannes Beyzym änderte sich alles. Aus der Erfahrung durch die Arbeit mit Leprakranken in Ambahivoraka hatte er erkannt, dass Lepra wie eine Krankheit behandelt werden muss und dass man das Leben von Leprakranken bereits im Vorfeld des Krankenhauslebens organisieren sollte. In Marana siedelte er sich dauerhaft in einem kleinen Etagenhaus ein, das sich am Ende einer langen Reihe einstöckiger Hütten befand. Ein echtes Zeichen des Elends waren diese zusammenbrechenden Häuschen, die aus nicht gebrannten Ziegelsteinen gebaut und mit Strohdächern gedeckt wurden, ohne Küche und Kamin. Die armen Einwohner dieser Häuschen sahen jämmerlich aus. Eingehüllt in ihre Betttücher, die am Tage als Kleidung und in der Nacht als Bettwäsche galten, sahen sie wie Mumien aus. Unter dieser weißschmutzigen Hülle versteckten sich ihre geschwollenen voller Verletzungen gezeichneten Gesichter und mit eiternden Wunden bedeckten ausgemergelten Körper.

Pater Johannes organisierte für sie den Pastoraldienst. Er führte systematisch den religiös-moralischen Unterricht ein. Er organisierte auch Exerzitien. Das blieb nicht ohne Ergebnis. Seine Schützlinge legten gerne ihre Beichte ab und empfingen die heilige Kommunion. Die Katechumenen wünschten sich die Taufe und warteten begeistert auf diesen Augenblick. Keiner von ihnen starb ohne die Heiligen Sakramente empfangen zu haben. Einige Leprakranke aus Ambahivoraka folgten dem Pater zu Fuß 395 Kilometer nach Marana, ohne Nahrung und Übernachtung. Obwohl sie in der staatlichen Herberge Reis und Fleisch zur Genüge erhielten, sagten sie: „was für ein Wohlbefinden kann man haben, wenn der Körper gesättigt, die Seele aber nicht leben darf, weil keiner dort betet bzw. zu einem katholisch Leben fähig ist.“

Durch großzügige materielle Unterstützung seiner polnischen Landsleute errichtete Pater Beyzym für seine „Schwarzküken“ ein Krankenhaus mit 250 Betten und mit Wasserversorgung aus den umlie-genden Bergen. Daneben baute er eine Kirche und noch zwei andere Gebäude: eines für Schwestern, die die Kranken pflegten und das zweite für die Jesuiten-Seelsorge. Um solch ein Projekt in dieser Wildnis durchzuführen brauchte er mehr als 10 Jahre. Es gab viele Schwierigkeiten und Hindernisse. Man widersetzte sich der „neuen Methode“ der Leprakrankenpflege des Paters Beyzym und unterbrach die Aufbauarbeiten. Der Pater war aber standhaft und ertrug die unzähligen Schwierigkeiten dank seinem kindlichen, grenzenlosen Vertrauen in die göttliche Vorsehung und der Verlässlichkeit der Fürsprache der Heiligen Mutter Gottes.

Schließlich, mit Gottes Hilfe und dank der Großzügigkeit der lieben Landsleute aus Polen, die ihre „letzten Groschen“ für den Aufbau unermüdlich überwiesen, wurde das Krankenhaus vollendet und öffnete schließlich am 16. August 1911 seine Pforten für seine Bewohner. Kurz nach dem die Aussätzigen in ihre „Appartements“ eingezogen waren, verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Pater Johannes. Er litt sehr unter seiner Krankheit. An seinem Körper entstanden wundgelegene Stellen. In den Nächten jammerte er, aber gefragt, ob er starke Schmerzen habe, antwortete er: „Was ist das im Vergleich zum Leiden Christi?“ Vor seinem Tode bat er einen bei ihm wachenden Ordensmitbruder, zu seinen aussätzigen Schützlingen zu gehen und in sei-nem Namen alle um Verzeihung zu bitten, die er in irgendeiner Weise betrübt oder denen er Unrecht getan haben könnte. Als Antwort brachen alle Kranken in Tränen und lautem Jammern aus. Am 2. Oktober 1912 gab Pater Beyzym, von der übermäßigen Arbeit und dem anstrengenden Leben erschöpft, seine Seele in die Hand Gottes zurück. Nach dem Tode dieses polnischen Missionars schrieb die madagassische Presse: „Das höchste Lob, dass man diesem Mann aussprechen kann, ist, dass er der Liebe Jesu Christi nacheiferte, indem er immer Diener der Aussätzigen sein wollte, und er bekam dazu eine Erlaubnis. Er verrichtete eine Arbeit, zu der man keinen Verbrecher verurteilen würde, die aber von Pater Beyzym von ganzem Herzen geliebt wurde.“

P. Czeslaw H. Tomaszewski SJ